In wenigen Tagen wird in Berlin die Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt. Ein ungewohntes politisches Szenario in Deutschland. Viele unserer Kunden sind mit der dpa-Text- und Bildberichterstattung zu Wahlen vertraut. Eine Herausforderung ist die anstehende Neuwahl auch für unser Team, das sich um unsere Online-Grafik und Datenangebote kümmert. Mit Sebastian Zilles, Product Owner bei dpa-infocom, haben wir über die Produkte ElectionsLive und ElectionsData gesprochen.
Wie geht ihr mit kurzfristigen Neuwahlen wie jetzt in Berlin für das Abgeordnetenhaus und die Bundestagswahl um?
Grundsätzlich sind vorgezogene Neuwahlen nichts Neues für uns, auch wenn sie in Deutschland doch eher zur Ausnahme gehören. Da wir unsere Blicke aber immer auch auf das Ausland richten, sind wir genau wie andere dpa-Einheiten damit vertraut, auf außerplanmäßige Wahlen zu reagieren. Wir beobachten ständig die politischen Konstellationen und Entwicklungen und pflegen unseren “SNEX”. Das ist der SNAP Election Risk Index, der die Neuwahl-Wahrscheinlichkeit in einem Land mit den Ampelfarben Grün, Gelb, Rot einstuft.
Neu ist im Fall Berlin, dass es sich um eine Wahlwiederholung handelt. Die Wahlzettel sind nahezu die gleichen wie im Jahr 2021, als in Berlin so viel schief lief. So gibt es sowohl bei der AfD als auch bei den Grünen eine Wahlkreiskandidatur, obwohl die betreffende Person der Partei mittlerweile nicht mehr angehört.
Besonders wichtig für uns war die Frage, mit welcher Vorwahl wir das Wahlergebnis vergleichen. Rein faktisch ist die Wahl aus 2021 ungültig – das Ergebnis aus 2016 aber fast sieben Jahre alt. Wir haben uns im Vorfeld darüber mit unseren Kunden, dem Wahlleiter, Forschungs-Instituten, ARD sowie ZDF ausgetauscht und werden unseren Fokus auf den Vergleich mit 2021 legen, auf Landesebene dem Nutzer aber auch die Option geben, auf 2016 umzuschalten.
Wie genau wir dann mit der Neuwahl des Bundestages in Berlin umgehen, prüfen wir gerade. Denn der Wahlausgang verändert ja auch das Bundesergebnis von 2021 und erfordert noch einmal weitere Überlegungen.
Wie arbeitet ihr in einem Jahr, in dem keine “große” Wahl wie die Midterms oder Bundestagswahl stattfindet?
Für uns gibt es eigentlich kein Jahr mehr, in dem es keine wichtige Wahl gibt. Mit dpa-ElectionsData haben wir Europas größte Wahldatenbank aufgebaut. Wir recherchieren und erfassen tatsächlich alle Personen und Parteien, die europaweit in eine Landesregierung gewählt werden möchten. Auch Umfragen aus den Ländern und die Wahlergebnisse werden gepflegt. Damit ist zwar eine Wahl zu Ende, aber nicht unsere Arbeit. Personelle Veränderungen, die während der Legislaturen vorkommen, werden von uns aktualisiert. Über die API sind jederzeit alle Landesparlamente der EU und der 16 Bundesländer abrufbar.
Wie setzt sich euer Team zusammen?
Die Visualisierung von Wahlergebnissen in Echtzeit geht nur als eingespieltes Team. Du brauchst ein sehr gutes Recherche-Team, aber auch ebenso gute Designer und Entwickler, die die unterschiedlichsten Datenformate der Wahlkommissionen vereinheitlichen und zur schnellen Distribution bereitstellen. An Wahlabenden ist zusätzlich unser Support für unsere Kunden im In- und Ausland ansprechbar. Als Product Owner bin ich jederzeit Ansprechpartner für unsere Kunden und den dpa-Vertrieb.
Wann geht die erste Information zu einer Wahl an die Kunden raus? Genauer, wie viel Vorlauf brauchen Kunden?
In der Regel sind wir sechs Wochen vor einer Wahl mit dem technischen Setup fertig. Spätestens dann kümmern wir uns auch um ausgefallene Kundenwünsche. Detailfragen oder offizielle Listen können natürlich immer noch offen sein. Da wir aber mit unserer Personenrecherche schon vorher (Parteitage, Kandidaturen via Selbsternennung) beginnen, dienen die Listen der Wahlleiter nur noch der Kontrolle.
Spätestens zwei Wochen vor einer Wahl testen wir den Wahlabend. Damit alles glatt läuft, simulieren wir mit allen Kunden die möglichen Szenarien bzw. Ergebnistypen von Prognosen und Hochrechnungen bis zu den offiziellen Ergebnissen, die oft erst Tage nach einer Wahl bekannt gegeben werden. Auch Sitzverteilungen, mögliche Koalitionen, Gewinne und Verluste werden durchgespielt.
Interessierte Kunden können sich tatsächlich auch am Tag vor der Wahl noch melden. Über den dpa-Shop sind alle Inhalte einfach und schnell via Embed-Code nutzbar.
Wie weit blickt ihr in die Zukunft?
Wahldaten und Termine pflegen wir tatsächlich weltweit für alle 193 UN-Mitgliedstaaten. Wir denken also nicht in Jahren, sondern in Legislaturen. Neben den bevorstehenden Wahlen interessiert uns jetzt konkret tatsächlich schon die Europawahl 2024, die ja im Grunde aus 27 parallelen Einzelwahlen besteht. Das ist im Detail teilweise sehr komplex. Frühzeitige Planung ist also ein wichtiger Faktor. Den Satz “Jetzt schon, die Wahl ist doch erst in ein paar Monaten?” haben wir innerhalb der vielen dpa-Teams von Infografik, Politikressort, Landesdiensten oder Auslandsbüros früher häufiger gehört. Mittlerweile ist im “dpa-Universum” schon weitgehend bekannt, warum wir so früh loslegen. Unsere Recherchen teilen wir dann natürlich gern.
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Carmen Gauf
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