Innovative Methoden helfen bei Entwicklung eines dpa-Redaktionssystems
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Superkräfte und Bullshit-Bingo: Wie uns innovative Methoden bei der Entwicklung eines neuen Redaktionssystems helfen

Für die Entwicklung neuer Tools gehen wir bei dpa in den Co-Creation-Modus. Wir überlegen gemeinsam mit Nutzerinnen und Nutzern, welche Bedürfnisse sie eigentlich haben. Gute Antworten auf diese Frage liegen aber meistens nicht an der Oberfläche. Genauso ist es bei unserem neuen Redaktionssystem „Rubix“.

Es beginnt mit einer Schere. Design Researcherin Kira schneidet kleine Kärtchen mit Fragen aus, rollt sie eng zusammen und versiegelt sie mit einem Ring aus Papier. “Was wäre der erste Schritt hin zu deiner Utopie?”, steht auf einer der Karten. Und damit ist eigentlich schon ganz gut beschrieben, worum es in dem sogenannten Design Research für unser neues dpa-Redaktionssystem Rubix gehen sollte. Wie würden wir in einer perfekten Welt arbeiten?

Mit dem neuen Redaktionssystem wollen wir bei dpa vor allem zwei Dinge erreichen: Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, für unsere Kunden die Produkte von morgen herstellen zu können – und wir wollen den Bedürfnissen von dpa-Journalistinnen und -Journalisten in neuen digitalen Arbeitswelten gerecht werden.

Redaktionssystem agil
Fünf Aufgaben für fünf Tage der Woche.

Module statt Monolith

Unser Redaktionssystem denken wir modular und nicht als Software-Monolithen mit gigantischem Funktionsumfang, von dem nur Bruchteile verwendet werden. Mit der Reporter-App arbeiten wir am ersten Modul, einer schlanken Lösung für die mobile Zulieferung von Inhalten. Das nächste Modul wird ein Digitaleditor, mit dem wir gemeinsam multimediale Inhalte erstellen können. Aber wie können Journalistinnen und Journalisten am besten zusammenarbeiten? Welche Werkzeuge brauchen sie und welche nicht?

Kira ist Expertin dafür, Antworten auf solche Fragen zu finden. Als Nutzerforscherin hat sie gemeinsam mit dem Rubix-Team 18 Kolleginnen und Kollegen zu ihrer Arbeit befragt – und zu diesem Zweck auch sehr viele Zettel gerollt. Die Zettel gehören zu einer spannenden Methode in der Nutzerforschung, den sogenannten “Cultural Probes”. Acht Probandinnen und Probanden sollten dabei ihren Alltag reflektieren und in die Lage versetzt werden, von außen auf sich selbst und ihr Arbeitsumfeld zu blicken. Es geht um persönliche, individuelle und deshalb tiefergehende Ansichten. Bedürfnisse und Probleme, die sonst oft gar nicht ausgesprochen würden, kommen mit dieser spielerischen Methode zum Vorschein. Es geht bei dieser Methode also nicht darum, eine Masse quantitativer Daten zu erfassen.

Nutzerforschung mit Bill Murray

Auftritt: Schere, Zettel und Kleber. Die Teilnehmerinnen bekamen fünf Umschläge zugeschickt. Eine Woche lang gab es jeden Tag neue Aufgaben und Fragen. “Welche Superkraft wäre bei deiner täglichen Arbeit unheimlich nützlich?” oder “Stell dir vor, du bist Bill Murray in ‘Und täglich grüßt das Murmeltier’ und erlebst immer wieder den gleichen Tag: Welche Aspekte aus deinem Arbeitsalltag würden diesen Tag zum Albtraum werden lassen?” Im Stile eines Bullshit-Bingos wurden außerdem alltägliche dpa-Phrasen notiert: “Haben wir das Thema schon aufgegleist?” oder “Das klären wir dann bilateral.”

Acht Pakete voll Insider-Wissen kamen per Post zurück.

Die Idee: Je spielerischer und abwechslungsreicher die Aufgaben, desto motivierter die ProbandInnen. Das Aufgaben-Paket bestand absichtlich aus rein analogen Hilfsmitteln, damit sich die Teilnehmerinnen darauf konzentrieren konnten, ohne von Slack, Mail oder Twitter abgelenkt zu werden.

Nach gut einer Woche bekamen wir einen Schatz an Insider-Wissen per Post zurück, auf dem dann auch die anschließenden Interviews aufbauten. Insgesamt kamen über 18 Stunden Videomaterial zusammen. Darin sprechen RMCs (Regionale Multimedia Chefs), Assistenzen, FotografInnen, ReporterInnen, Grafik-RedakteurInnen Volos und DeskerInnen ausführlich über Bedürfnisse und Hürden.

 

Inspiration: Der Newsroom der Zukunft als Jazz-Band

Eine zentrale Erkenntnis: Mit unseren heutigen Werkzeugen ist eine echte Zusammenarbeit nur mit sehr viel Kommunikationsaufwand möglich. Möchte man etwa gemeinsam an einem Text arbeiten, muss man miteinander telefonieren, nebeneinander sitzen oder laufend in einen Chat schreiben. Die Synchronisation von Text und Bild, Grafik und Text ist mindestens ebenso aufwendig, erfordert viel Kommunikation und birgt Missverständnisse.

Ein ansprechendes Design und abwechslungsreiche Aufgaben steigert die Motivation er Probanden und Probandinnen.

Das sind Probleme, die uns heute vielleicht unlösbar erscheinen: Ist halt so. Im Rubix-Team wollen wir aber versuchen, diese Probleme zu bearbeiten und mit Technologie zu lösen. Eine gute Inspiration könnte sein, dass wir künftig so zusammenarbeiten wie in einer Jazzband. In einer Jazzband muss die Schlagzeugerin dem Saxophonisten beim Jammen nicht zurufen: “Achtung ich ändere in zehn Sekunden den Rhythmus” und der Trompeter sagt nicht: “Obacht, ich spiele gleich ein langes C.” Alle spielen ihr Instrument und allein durch den Klang der Musik wissen die anderen, welche Richtung der Song gerade nimmt. Sie können ihn mit ihren eigenen Ideen weiterentwickeln oder sogar zu einem Solo ansetzen.

Prototyp und Feedback-Schleifen

Diese und andere Herausforderungen hat der Design Research für uns zutage gefördert. Jetzt suchen wir Lösungen. In einem einwöchigen Prototyping-Sprint hat sich ein Team aus Software-Entwicklern, Designern und Redakteuren auf diese Suche gemacht. Ausgangspunkt waren die Ergebnisse des Design Research. Genau auf diese Bedürfnisse hin wurde ein Prototyp entwickelt, der jetzt wiederum mit Nutzerinnen und Nutzern getestet wird. Mit diesen Feedback-Schleifen stellen wir sicher, dass wir mit der Entwicklung in die richtige Richtung gehen. Und viel wichtiger: Wenn wir auf dem falschen Weg sind, können wir rechtzeitig umsteuern.

Notizblock:
Felix Frieler
Projektleiter bei dpa
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