Verifikation ist digitale Tüftelarbeit: Ausdauer und Phantasie helfen
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Digitale Tüftelarbeit: Weshalb Ausdauer und Phantasie bei der Verifikation so wichtig sind

Die Foto-Rückwärts-Suche zählt zu den wichtigsten Techniken der Verifikation. Bei unseren Faktenchecks liefert dieses Tool manchmal schon nach wenigen Sekunden den entscheidenden Hinweis. So wie bei diesem Fake: Eine rührende Fabel wird hier erzählt. Sie hat aber einen Haken – das Foto ist manipuliert.

Mit der Foto-Rückwärts-Suche findet sich schnell das mutmaßliche Original. Das Bild zeigt einen Elefanten aus dem südafrikanischen Kruger-Nationalpark. Die beiden Löwen wurden per Photoshop hinzugefügt. Es stammt von Wikimedia Commons.

Wie funktioniert die Foto-Rückwärts-Suche? Im Chrome-Browser: Mit rechter Maustaste auf Bild klicken, Option „Mit Google nach Bild suchen“ wählen. Die Suchmaschine zeigt dann identische sowie ähnliche Bilder an. Im Idealfall lässt sich zeigen, dass das untersuchte Foto – wie beim Elefant-Beispiel – in Wahrheit ein Fake ist. Neben Google unbedingt auch Yandex anwenden. Bei Yandex oben auf das Foto-Symbol klicken, dann Foto-Adresse (URL) eingeben.

Häufig bringt die Foto-Rückwärtssuche jedoch keine schnellen Ergebnisse. In solchen Fällen sind Phantasie, Um-die-Ecke-denken und vor allem auch Ausdauer gefragt. Denn man weiß mitten in der Suche nie, ob man tatsächlich einen Volltreffer erzielt – oder man nach Stunden ohne Ergebnis aufgeben muss.

Ein gutes Beispiel für die Arbeit des dpa-Faktencheck-Teams ist die Recherche rund um die (Falsch-)Behauptung, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Innenminister Christophe Castaner seien vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag angeklagt. Hier unser Faktencheck dazu. Das Faktencheck-Team von dpa hat stundenlang recherchiert, bis das Originalfoto gefunden war. Eine vorbildliche Leistung!

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Auf dem Fake-Bild sind Christophe Castaner und Emmanuell Macron hinter Gittern zu sehen. Welches Foto war Grundlage für diese Manipulation? Die klassische Foto-Rückwärts-Suche bringt kein Ergebnis, es zeigt nur andere Webseiten mit dem (manipulierten) Foto.

In solchen Fällen hilft die analytische Frage, was an dem Foto konkret verändert worden sein könnte. Vielleicht sind lediglich die Köpfe der beiden französischen Politiker auf zwei Körper hinter Gittern montiert worden? Suchansatz: Bilderrückwärtssuche des Fotos, aber ohne die beiden Köpfe. Dieser Ansatz erweist sich später als falsch, aber bringt uns dennoch bei der Suche weiter.

Die Lösung nach stundenlangem Tüfteln: Das Foto zeigt einen Gerichtssaal im französischen Nimes. Die beiden Politiker wurden nachträglich eingefügt.

Dieses Originalfoto aus dem Gerichtssaal zeigt das Gitter, das Stabmikrofon sowie die auffälligen Holzornamente an der Wand. Das war die richtige Spur! Kurze Zeit später stießen die Kollegen dann auf diese Aufnahme, die der Journalist Tony Duret während eines Prozesses aufgenommen hatte:

 

Foto: Tony Duret

 

Das Foto von Tony Duret muss die Vorlage für das Fake-Bild der französischen Politiker hinter Gittern gewesen sein. Das Original wurde gespiegelt. Zu sehen ist der helle Ärmelstreifen der schwarzen Robe mitsamt Stabmikrofon. Zudem passt der Winkel auf die Holzornamente.

Aber woher stammt die Aufnahme von Christophe Castaner und Emmanuell Macron? Wir haben mit Hilfe von Photoshop die Gitter entfernt und mit dieser Vorlage nach dem Original gesucht.

Das Ergebnis nach langer Suche: Das Originalbild von Castaner und Macron nahm 2016 der AFP-Fotograf Bertrand Langlois in Marseille auf. Der Foto-Manipulateur hat also die Politiker aus dem afp-Foto geschnitten und ihre Krawatten wegretuschiert.

Leider lässt sich die Foto-Rückwärts-Suche in diesem Fall nicht für jeden Nutzer am eigenen Rechner „nachbauen“. Google und Yandex individualisieren ihre Treffer. Die Suchmaschinen orientieren sich dabei am erfassten Suchverhalten der einzelnen Nutzer. Aus diesem Grund gilt im dpa-Faktencheck-Team eine wichtige Regel: Foto-Rückwärts-Suchen liefern keine einheitlichen Ergebnisse. Manchmal müssen reihum Kolleginnen und Kollegen eine bestimmte Suche starten, bis sich ein Treffer einstellt.

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