Junge Menschen kommen auch in sozialen Medien wie Instagram, YouTube und Facebook in Kontakt mit Nachrichten. Dabei bieten diese Netzwerkplattformen viele Möglichkeiten der Interaktion: über das Bewerten und Kommentieren bis hin zum Posten und Teilen von Beiträgen. Im Rahmen des #UseTheNews-Projektes haben wir als Leibniz-Institut für Medienforschung die unterschiedlichen Praktiken und Strategien der Nachrichtennutzung genauer in den Blick genommen. Die Deutsche Presse-Agentur ist Initiatorin dieses Projektes. Zahlreiche Verlage und Medienhäuser unterstützen #UseTheNews ebenfalls. Inwiefern interagieren junge Nutzerinnen und Nutzer mit nachrichtlichen Inhalten und wie eigenen sie sich diese über den bloßen „beiläufigen“ Konsum hinaus an?
„Liken tue ich schon, aber es bedeutet mir eigentlich gar nichts“
Jugendliche und junge Erwachsene nutzen die unterschiedlichen Interaktionsmöglichkeiten mit nachrichtlichen Inhalten in sozialen Medien kaum. Das zeigen Ergebnisse aus sechs Fokusgruppen mit 14- bis 24-Jährigen, die im Rahmen des #UseTheNews-Projektes geführt wurden. Das Liken von Inhalten ist noch die gängigste Praktik: In der Regel verteilen Jugendliche und junge Erwachsene ein Like, wenn ihnen Beiträge oder Bilder von Freunden gefallen oder bei interessanten Inhalten. Dabei spielen auch soziale Beziehungen eine Rolle: „Ich like aus emotionalen Gründen, auch bei Freunden, like ich auch immer alles, einfach, weil es meine Freunde sind“, erzählt beispielsweise Lara, eine 20-jährige Studentin.
Manche Jugendliche liken alles, was ihnen angezeigt wird, „von Leuten, die ich abonniert habe“, sagt der 16-jährige Pablo. Andere unterstützen mit einem Like gezielt Inhalte von Akteuren in sozialen Medien wie beispielsweise Beiträge von Lieblingsmusikern oder Medienunternehmen. Dabei messen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen dem Liken unterschiedliche Bedeutungen zu: Für den Großteil ist es „einfach nur ein Like drunter setzen“ und „hat nicht so viel zu bedeuten“. Auch Ramona, eine 16-jährige Schülerin, sagt: „Liken tue ich schon. Aber gerade auf Instagram bedeutet mir das eigentlich gar nichts.“ Dahingegen drücken andere mit einem Like echte Unterstützung aus: „Also wenn ich was like, dann, weil ich es wirklich mag“, erklärt die 20-jährige Lara.
Junge Nutzer kommentieren kaum, lesen sich aber gerne Kommentare durch
Im Gegensatz zum schnellen Verteilen eines „Like“, ist das Kommentieren von Inhalten unter allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Fokusgruppen kaum verbreitet. Die meisten von ihnen kommentieren überhaupt nicht, weil sie „keine Diskussion starten möchten“, erklärt die 16-jährige Lena. Auch Ramona sagt: „Kommentieren tue ich eigentlich nie, also wirklich nie, weil ich keine Antwort erwarte, warum muss ich dann etwas kommentieren?“ Wenn überhaupt, dann werden Bilder und Beiträge von Freunden in sozialen Netzwerken, vor allem Instagram, oder mal ein Video auf YouTube kommentiert: „Wenn dann ist das meistens bei einem Video, das ich sehe, und wo ich diesen Drang dazu habe, einfach einen Kommentar abzulassen“, erzählt Nina. „Zum Beispiel, wenn ich mich ärgere. Also jetzt kein Hate-Kommentar, aber dann einfach, um meine Meinung auszudrücken“, sagt die 15-Jährige.
Während die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Regel nicht selbst kommentieren, lesen fast alle regelmäßig Kommentare, die unter Beiträgen stehen, „weil es dafür gemacht ist, dass man es sich eben schnell durchlesen kann oder, weil es besonders interessant wird“, erklärt Ramona. Außerdem wird sich dadurch ein Stimmungsbild eingeholt: „Mich (interessiert) das dann, wie andere Leute darüber denken und wie die das halt finden“, sagt die 21-jährige Mandy. Gleichzeitig wird dem Kommentieren eine größere Bedeutung beigemessen, als anderen Interaktionspraktiken: „Erst wenn man kommentiert oder teilt, dann zeigt man, dass etwas für andere interessant ist und nicht, indem man likt“, sagt Sinan, ein 23-jähriger Student.
Inhalte mit persönlichem Bezug und Gesprächsstoff werden direkt weitergeleitet
Jugendliche und junge Erwachsene teilen bestimmte Inhalte, indem sie Stories, Bilder oder andere Beiträge (re-)posten. „Wenn irgendetwas ist, was ganz viele Leute betrifft oder was gerade eine erschreckende Nachricht ist, oder wo ich finde, das müssen jetzt wirklich viele Leute wissen, dann würde ich das auch in meine Story posten“, erzählt die 16-jährige Lena. Daneben werden lustige Inhalte gepostet oder geteilt: „Wenn ich irgendetwas besonders lustiges oder besonders schockierendes sehe, teile ich das auch meistens mit meinen Freunden“, sagt Jaqueline, eine 16-jährige Schülerin.
Allgemein spielt beim Teilen die persönlich empfundene Relevanz und Betroffenheit durch das Thema eine große Rolle. So berichten die Jugendlichen beispielsweise Beiträge geteilt zu haben, die auf vermisste Personen hinweisen, die Black-Lives-Matter-Debatte behandeln oder Corona-bezogene Maßnahmen (Schulschließungen) beinhalten. Manche Jugendliche wollen auch gezielt Inhalte weiterverbreiten: „Das einzige, was ich machen würde, wäre etwas zu retweeten auf Twitter, damit es dann weiter nach oben kommt in den Trends und somit mehr Leute erfahren, wenn es dann auch wichtig ist“, erklärt David, ein 16-jähriger Schüler.
Im Gegensatz zu Inhalten, die in sozialen Netzwerken mit einem unspezifischen Adressatenkreis geteilt werden, leiten Jugendliche und junge Erwachsene Beiträge, die eine bestimmte Person direkt betreffen, gezielt weiter. Dabei spielen soziale Motiv wie die Pflege von Beziehungen eine wichtige Rolle: „Wenn mich Artikel interessieren und ich denke einen meiner Freunde könnte das auch interessieren, leite ich das denen weiter über WhatsApp und dann kann man darüber reden“, erzählt Justin, ein 18-jähriger Schüler. Das macht auch Helena so: „Wenn ich mit einer Person über das Thema gesprochen haben, dann schicke ich ihr den Artikel“, sagt die 20-jährige.
Andere nutzen WhatsApp Gruppen mit Freunden, um „lustige“ Inhalte weiterzuleiten. „Da würde ich dann auch Politisches reinschicken, aber nur wenn es wirklich irgendwie sehr polarisierend ist“, erzählt die 20-jährige Lara. Demgegenüber berichten manche Jugendliche, dass sie auf digitalem Wege „überhaupt nichts“ weiterleiten und lieber persönliche Gespräche führen: „Ich warte immer darauf, dass mich jemand anspricht, oder wenn ich es so wichtig finde, werde ich die nahestehenden Personen von mir ansprechen“, sagt beispielsweise David.
In persönlichen Gesprächen und Diskussionen werden Themen aufgegriffen
Der beiläufige Kontakt mit Nachrichten in sozialen Medien führt häufig dazu, dass Inhalte in Situationen angezeigt werden, in denen die jungen Nutzerinnen und Nutzer keine Zeit haben, diese zu lesen. „Wenn es irgendetwas ist, worauf ich zurückkommen möchte, oder, dass ich es so interessant finde, dass ich sage, ‚okay, irgendwann ist das wichtig für dich‘, dann speichere ich es“, erzählt die 16-jährige Ramona. Außerdem sind persönliche Gespräche wichtig, um einzelne Inhalte und Themen noch einmal zu besprechen: „Wenn ich jetzt einen Beitrag sehe, den finde ich vielleicht interessant, aber ich kommentiere den nicht unbedingt, sondern rede persönlich mit Leuten darüber, die sich vielleicht auch dafür interessieren“, sagt Lena, die 16-jährige Schülerin. Diskussion mit Freunden werden auch genutzt, um Meinungen auszutauschen. „Wenn mal unterschiedliche Meinung vertreten sind, dann diskutieren wir auch darüber und gucken, was am logischsten ist“, erzählt der 17-jährige Jonas.
Dabei haben Jugendliche in persönlichen Diskussionen unterschiedliche Gesprächsthemen: Bei Susan stehen politische Themen im Mittelpunkt: „Also bei mir ist das schon sehr politisch und so, weil ich interessiere mich auch schon sehr für Politik und alles und unterhalte mich auch gerade mit meinen Eltern darüber oder auch mit Freundinnen oder Freunden“, sagt die 15-Jährige. Andere Jugendliche erzählen, dass sie mit Freunden „eher über Musik oder YouTube-Videos“ reden.
Mit den Eltern „spricht man halt eher so über Sachen, die die Welt betreffen“, sagt Chelsea, eine 15-jährige Schülerin. Generell haben Jugendliche das Gefühl, dass Inhalte aus sozialen Medine ihnen viel Gesprächsstoff liefern. „Ich kann eigentlich mit jedem über etwas Neues reden“, sagt der 17-jährige Nils.
Wenn Jugendlichen etwas „komisch“ vorkommt, gucken sie genauer hin
Wenn Jugendlichen und jungen Erwachsenen Inhalte „komisch“ vorkommen, dann nutzen sie unterschiedliche Strategien, um diese zu überprüfen. Generell vergleichen Jugendliche auf unterschiedlichen Internetseiten, ob mehrere Quellen dasselbe berichten. „Wenn einem etwas komisch vorkommt, oder etwas Besonderes ist oder irgendetwas Ausschlaggebendes, dann google ich das eigentlich noch mal explizit und schaue, was da noch von anderen Seiten steht“, erklärt Nils.
Zudem schauen Jugendliche im Impressum von Internetseiten nach, wer für den Inhalt verantwortlich ist. Andere berichten, dass sie gezielt mehrere Quellen nutzen oder sich verlinkte Artikel durchlesen. „Wenn mir Sachen komisch vorkommen, versuche ich noch einmal andere Quellen zu finden, die das belegen oder widerlegen“, erzählt Anna, eine 15-jährige Schülerin.
Insgesamt sind Jugendliche und junge Erwachsenen aus den Fokusgruppen in sozialen Medien nur wenig aktiv; dieses Bild spiegeln auch repräsentative Umfragen wie der aktuelle Reuters Institute Digital News Report wider. Um eine aktive Beteiligung in sozialen Medien zu erzielen, sollten Nachrichtenanbieter Inhalte bieten, die als hilfreich, lustig oder polarisierend wahrgenommen werden und die Lebenswirklichkeit der jungen Leute direkt betreffen. Auf diesem Weg können sie zu Interaktionspraktiken motiviert werden: Nutzerinnen und Nutzer teilen Inhalte, um Gesprächsstoff zu haben, aber auch, um andere zu informieren, zu warnen oder ihnen zu helfen.
Auf diesen sozialen Charakter von Interaktionspraktiken weisen ebenfalls aktuelle Studien im internationalen Zusammenhang hin: Mit dem Teilen von Nachrichten in sozialen Medien wird Fürsorge demonstriert und so zum sozialen Zusammenhalt im Freundes- und Familienkreis beigetragen.
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