Die Relevanz von Nachrichten für eine demokratische Gesellschaft ist unumstritten. Vor allem junge Menschen sind allerdings nicht sonderlich an Nachrichten und Politik interessiert, wie repräsentative Studien zur Nachrichtennutzung zeigen. Um junge Nutzer und Nutzerinnen dennoch für nachrichtliche Inhalte zu gewinnen, muss man ihre individuellen Bedürfnisse und Motivationen kennen. Finden es junge Leute überhaupt wichtig, sich durch Nachrichten auf dem Laufenden zu halten? Und wenn ja, aus welchen Gründen? Wir als Leibniz-Institut für Medienforschung erweitern im Rahmen des Projekts #UseTheNews zusammen mit den Projektpartnern und der dpa das bestehende Wissen rund um das Thema Nachrichtenkompetenz und liefern Fakten für eine breit angelegte Diskussion.
Junge Menschen finden es wichtig informiert zu sein – aus unterschiedlichen Gründen
Die meisten jungen Nutzerinnen und Nutzer haben noch kein ausgeprägtes allgemeines Interesse an klassischen „hard news“, also Nachrichten mit politischem und wirtschaftlichem Schwerpunkt. Dennoch ist es den meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen wichtig, auf dem Laufenden zu sein und sich aktiv in den Nachrichten zu informieren. Das zeigen Ergebnisse aus sechs Fokusgruppen mit 14- bis 24-Jährigen, die im Rahmen des #UseTheNews-Projektes geführt wurden. In dieser Altersgruppe spielt die soziale Komponente von Nachrichten eine wichtige Rolle: Informiert zu sein bedeutet, Gesprächsstoff zu haben, um mitreden und sich integrieren zu können – sowohl im Freundeskreis als auch in der Schule oder in der Universität.
„Wenn man in der Schule ein Thema hat und da überhaupt nicht mitreden kann oder bei seinen Freunden, dann steht man ja auch total außen vor“, erzählt Jonathan, ein 15-jähriger Schüler. Daher müsse man sich informieren. „Was will man sonst machen? Irgendwie möchte man ja schon auch dazugehören“, sagt er. Eine Mitschülerin pflichtet ihm bei: „Mir ist das schon extrem wichtig, dass ich dann mit anderen Leuten auch darüber reden kann, weil dann hat man immer ein Gesprächsthema“, sagt Susan. „Ich finde, wenn man nicht mitreden kann, dann kann man sich gar nicht richtig in der Gruppe integrieren“, erklärt die 15-jährige Schülerin. Wenn man über das Wichtigste Bescheid weiß, könne man außerdem besser am sozialen Leben teilnehmen, vor allem im Studium und auf der Arbeit, wie die 18- bis 24-jährigen Studierenden erzählen.
Nachrichten liefern Inhalt, die einen persönlich weiterbringen
Neben der sozialen Integration steht für viele Jugendliche auch eine persönliche Motivation im Vordergrund, wenn es darum geht, sich zu informieren. „Ich finde es einfach wichtig für mich zu wissen, was jetzt auch woanders passiert“, sagt der 15-jährige Tim. Zwar sind viele junge Leute der Meinung, dass sie vor allem in sozialen Medien automatisch in Kontakt mit Nachrichten kommen. Dennoch halten sich viele von ihnen bewusst auf dem Laufenden, weil es ihnen persönlich wichtig ist und man sich sonst „dumm vorkommt und auch so ungebildet“, erklärt Lara, eine 20-jährige Studentin. Auch Jonathan sagt, er würde sich schlecht fühlen oder es komisch finden, wenn er sich über gar nichts informieren würde. „Man vertritt ja auch Interessen, sei es in die eine oder die andere Richtung und diese Interessen, die versucht man dann ja auch weiter auszubauen, wenn es einen wirklich interessiert“, sagt der 15-Jährige.
Nachrichten liefern Informationen, um im Unterricht mitmachen zu können
Nicht zuletzt ist es für junge Leute wichtig sich auf dem Laufenden zu halten, weil der universitäre oder schulische Kontext das erfordert. Insbesondere dann, wenn das Studium mit politischen Themen verbunden ist, sei es wichtig, über aktuelle Ereignisse Bescheid zu wissen, findet die 20-jährige Diana. Schülerinnen und Schüler wollen auch im Unterricht mitreden können: „Ich finde es gut, einfach Bescheid zu wissen, was in anderen Ländern auf der Welt passiert, um im Sozialwissenschaft Unterricht mitreden zu können“, erzählt Anna, eine 15-jährige Schülerin. Andere Teenager haben das Gefühl sich einmal die Woche gründlich informieren zu „müssen“, weil sie im Unterricht für die Vorstellung eines Nachrichtenthemas benotet werden.
Junge Menschen mit niedrigem Bildungsstand sehen keinen Grund, sich zu informieren
Doch nicht alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben eine starke persönliche Motivation oder möchten in ihrem Freundeskreis über aktuelle Ereignisse mitreden können. Insbesondere Jugendliche mit einer niedrigen formalen Bildung empfinden es nicht als wichtig, sich durch die Nachrichten auf dem Laufenden zu halten. „Weil ich mich allgemein nicht so für Deutschland interessiere“, begründet Jaqueline, eine 16-jährige Schülerin, ihr Desinteresse an Nachrichten. Für die 16-jährige Emica ist es ebenfalls nicht wichtig, sich zu informieren. „Ich habe auch gar kein Interesse an politischen Sachen“, erklärt die Schülerin. Einige der jungen Erwachsenen sehen zudem keine Notwenigkeit, sich bewusst zu informieren, weil sie indirekt durch Informationen aus dem Freundes- und Familienkreis oder über soziale Medien auf dem Laufenden gehalten werden. „Wenn man sowieso auf Instagram ist und solche Seiten abonniert oder mal halt nur ein bisschen sich informiert, reicht das ja schon. Weil man halt viel auch von Freunden und sowas (mitbekommt)“, erklärt Lars. Dieser Meinung ist auch Mandy: „Ich denke, was akut ist, was brenzlig ist, kriegt man so oder so mit“ sagt die 21-jährige.
Medien sollten jungen Menschen den sozialen Wert von Nachrichten vermitteln
Insbesondere für Jugendliche, die im Begriff sind sich selbst und ihre Interessen zu entwickeln, ist die Schule eine wichtige Einflussgröße. Die Erkenntnisse aus den Fokusgruppen unterstreichen die Relevanz der gezielten Förderung von Nachrichtennutzung und -kompetenz in der Schule, weil dort Nachrichtenwissen vermittelt und vertieft werden kann – durch Diskussionen in der Klasse und auf dem Pausenhof. Die Nachrichtennutzungsmotive der jungen Nutzerinnen und Nutzern aus den Fokusgruppen zeigen zudem: Um ihre Bedürfnisse zu befriedigen ist es zum einen wichtig, Inhalte anzubieten, die sich auf relevante Themengebiete wie Mode, Musik und Umweltschutz beziehen. Zum anderen sollte der soziale (Gesprächs-)Wert von nachrichtlichen Inhalten vermittelt werden.
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Disclaimer: Die Namen der Interviewten sind aus Gründen der Anonymität alle erfunden.
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