Meinem besten Freund vertraue ich, weil ich ihn lange kenne. Der Sanitäterin vertraue in einem Notfall, weil mir ihre Rettungsjacke Hilfe signalisiert. Einem Medium vertraue ich, weil …? Ja, wann verdient ein Medium eigentlich mein Vertrauen? Darüber kann nie genug diskutiert werden. Medien können sich um das Vertrauen der Leserinnen und User, Zuschauer und Hörerinnen gar nicht zu viel bemühen. Nachhaltiges Vertrauen braucht Zeit, ist immer zerbrechlich und will ständig verdient sein.
Im Mittelpunkt stehen dabei natürlich die Inhalte. Doch mindestens ebenso wichtig sind die Journalistinnen und Journalisten selbst sowie ihre Arbeitsweisen. Ein entscheidender Schlüssel für Vertrauen in Medien ist Transparenz. „Show your work“, nennt das der New Yorker Journalismus-Professor Jay Rosen. Medien müssen heutzutage offenlegen: Wie ist die Geschichte entstanden? Was wissen wir, was nicht? Und sie sollten ihre Leserinnen und Leser fragen: Was habt Ihr daran zu kritisieren? Was könnt Ihr noch dazu beitragen?
Genau hier setzt auch das internationale Trust-Project an. Ein Trust-Indikator, also ein entsprechendes Logo, soll vertrauenswürdige Inhalte im Netz kennzeichnen. Als Erkennungssignal für Nutzer. Und als maschinenlesbare Kennzeichnung etwa für Suchmaschinen, die so markierte, vertrauenswürdige Inhalte in der Trefferliste höher ranken können.
Das Trust-Logo selbst ist nicht entscheidend. Als Erkennungszeichen verlinkt der Trust-Indikator vielmehr auf das Wesentliche dahinter: Umfassende Informationen der Medien zu ihren Grundsätzen, zur Finanzierung, zur Unabhängigkeit – oder auch zu eigenen Interessen.
Offengelegt werden auch journalistische Standards, Recherchehinweise zur konkreten Geschichte, Informationen zu den Journalistinnen und Journalisten. Und selbstverständlich gibt es einen Rückkanal zum Medium. Die Einladung zu Feedback und zum Gespräch. Digitaler Wandel bedeutet zwar auch jede Menge Technik, aber im Kern Dialog statt Einbahnstraße – allemal für Medien.
Ausschließlich Medien, die sich auf solche transparent dokumentierte Trust-Indikatoren verpflichten, dürfen das Logo verwenden. Die Überzeugung dahinter: Solche Transparenz kann Vertrauen schaffen. Die Entscheidung darüber trifft der User selbst. Die Trust-Informationen könnten dabei helfen.
Aktuell sagt mehr als die Hälfte der Deutschen einer Studie zufolge: Ich weiß nicht, wie ich Falschinformationen von Qualitätsjournalismus unterscheiden soll – im Social Newsfeed sieht alles gleich aus. (Edelmann Trust-Barometer 2018)
Auch deshalb sorgt die Ankündigung von Facebook-Chef Mark Zuckerberg, die User über vertrauenswürdige Nachrichten abstimmen zu lassen, weiterhin für heftige Diskussionen. Wie soll das gehen? Spiegel-Produktchef Stefan Plöchinger auf Twitter: „Ich seh schon das neue Buzzword: Social Credibility Optimization. Formerly known as journalism, I hope.“ Die Trust-Indikatoren von Medien können Nutzern bei ihrer Entscheidung – ob auf Facebook oder andernorts – Orientierung geben. Plattformen wie Facebook bieten sie zugleich die Möglichkeit, Medien mit Trust-Selbstverpflichtung im Algorithmus entsprechend zu bewerten.
Das wissenschaftlich unterstützte Trust-Projekt hat im ersten Schritt Menschen in Interviews gefragt, was ihnen bei Nachrichten wichtig ist und wann sie ihnen vertrauen. Daraus sind die Trust-Indikatoren entwickelt worden. Kopf der Initiative ist die amerikanische Journalistin Sally Lehrmann vom Markkula Center for Applied Ethics an der Santa Clara University im Silicon Valley. Eine zunehmend skeptische Öffentlichkeit wolle mehr über die Fakten hinter einer Geschichte wissen, sagt sie. “Die Trust-Indikatoren geben den Menschen die Werkzeuge in die Hand zu beurteilen, ob die Nachrichten von einer glaubwürdigen Quelle stammen, auf die sie sich verlassen können.” Zum Vormerken: Ende September ist Lehrman zu Gast bei der Medien-Innovationskonferenz scoopcamp 2018.
Zahlreiche internationale Medien haben vor drei Monaten den offiziellen Startschuss für Trust gegeben. Aktuell sind es mehr als 75 Partner von der Washington Post über The Economist bis zu La Stampa – und auch Google, Facebook, Bing und Twitter. Alle gemeinsam entwickeln Trust weiter.
Als Nachrichtenagentur unterstützen wir bei dpa die Trust-Initiative aktiv – federführend durch meinen Kollegen Martin Virtel aus dem dpa newslab. Trust ist für ihn ein Marathon: „Die Kriterien von Qualitätsjournalismus für Leserinnen und Leser nachvollziehbar zu machen, ist eine langfristige Herausforderung. Dass Google und Facebook dabei mit am Tisch sitzen, macht die Arbeit auch technisch interessant.“
Auch Zeit Online ist deutsches Gründungsmitglied und einer der Trust-Initiatoren der ersten Stunde. „Die Ziele des Trust Projects decken sich mit unserem Anspruch, unsere journalistische Arbeit möglichst transparent zu machen“, sagt der Stellvertretende Chefredakteur Sebastian Horn. „Der bisherige Austausch zwischen den internationalen Teilnehmern des Projekts hat bereits zu einheitlichen Standards geführt, die für mehr Vertrauen in den Journalismus sorgen werden.“
Schon seit Jahren praktiziert dpa Transparenz in der engen Zusammenarbeit mit den Redaktionen ihrer Kunden: Im dpa-Notizblock bieten wir Informationen zu den Autorinnen und Autoren, zu den Orten des Geschehens, zu weiterführenden Quellen sowie Ansprechpartnern. Zudem machen wir in redaktionellen Hinweisen besondere Umstände oder Beschränkungen bei der Recherche transparent – etwa wenn ein Veranstalter keine unabhängigen Fotografen zulässt. Schon bisher sind wesentliche Teile dieses Notizblocks auch für die Veröffentlichung durch die dpa-Kunden in ihren eigenen Angeboten konzipiert. Das wird dpa auch im Zuge des Trust-Projekts weiter ausbauen.
dpa setzt das neue Trust-Logo bereits im englischsprachigen Angebot ein, das in Auszügen auf dpa international zu finden ist inklusive aller Informationen zu Trust im dpa English Service. Nächster Schritt soll die Integration von Trust in die deutschen Online-Dienste, die dpa-Weblines, sein. Dann können dies alle unsere Kunden in ihren Digital-Angeboten nutzen. Wir sind auf diese Kooperationen sehr gespannt. Denn wir wollen Trust weiterentwickeln.
Das Trust-Konzept hat aber auch klare Grenzen: Der Trust-Indikator ist kein Beweis für die Richtigkeit jedes einzelnen Artikels und aller seiner Aussagen. Auch Medien, die gemäß den Trust-Kriterien arbeiten, machen Fehler. Aber das gehört ebenfalls dazu: Fehler werden transparent dargestellt und korrigiert. Auch das übrigens bei dpa maschinenlesbar – und damit von den Plattformen nutzbar.
- Trust ist eine Selbstverpflichtung: Wir arbeiten nach Standards und machen unsere Arbeitsweisen so transparent wie möglich. Wir legen Rechenschaft ab.
- Trust ist eine Einladung an den Nutzer: Nimm uns beim Wort! Lass uns reden!
- Trust ist nicht die Lösung der Vertrauensfrage, aber ein Beitrag dazu.
Kann man darüber streiten, ob Transparenz die Voraussetzung für Vertrauen ist? Ich glaube: nicht wirklich.
Lässt sich darüber diskutieren, wie weit ein solcher Trust-Ansatz trägt? Ja, das müssen wir sogar.
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