#UseTheNews: Was Jugendliche von Influencern und Journalisten erwarten
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„Die halte ich dann auch für eine seriöse Quelle“: Was junge Menschen von Influencern erwarten. Und von Journalisten

Social Media Influencer sind wichtige Identifikationsfiguren für Jugendliche.

In sozialen Medien folgen junge Menschen neben ihren Freunden und Bekannten vor allem prominenten Personen aus dem Musik- und Filmgeschäft sowie bekannten Persönlichkeiten aus Politik und Medien. Indem diese Akteure online Inhalte teilen oder selbst nachrichtenähnlichen Content produzieren und verbreiten, dienen sie vielen Jugendlichen auch als Quelle für Informationen. Dabei hängt die Relevanz von sogenannten Social Media Influencern (SMI) für die Informationsnutzung und Meinungsbildung insbesondere mit ihrer Funktion als Identifikationsfigur und der Befriedigung gruppenbezogener Bedürfnisse von jungen Menschen zusammen.

Das zeigt ein kürzlich veröffentlichtes Paper, in dem Ergebnisse aus Gruppendiskussionen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorgestellt werden, die im Rahmen des #UseTheNews-Projektes geführt wurden. Außerdem äußern viele Jugendliche eine kritische Meinung zu Influencern in sozialen Netzwerken, insbesondere wenn es um deren subjektive Darstellungen geht. Von Journalistinnen und Journalisten erwarten die Jugendlichen in erster Linie Neutralität.

Gruppenbezogene Bedürfnisse spielen bei der Informationsnutzung Jugendlicher eine große Rolle

Jugendliche befinden sich in einer Phase, in der sie stark mit sich selbst beschäftigt sind versuchen, ihren Platz in der Welt zu finden und sich innerhalb ihrer Freundesgruppe zu behaupten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Nachrichten für junge Menschen in erster Linie die Funktion haben, Gesprächsstoff zu liefern, um mitreden und sich so in ihrem sozialen Umfeld integrieren zu können. Dabei spielen auch Social Media Influencer eine große Rolle, da sie Themen behandeln, die an Interessen und Hobbies junger Menschen anknüpfen. Diese alltagsrelevanten Inhalte stellen eine wichtige Grundlage für den Austausch unter Freunden dar und erfüllen damit gruppenbezogene Bedürfnisse, die bei Jugendlichen besonders ausgeprägt sind. Zudem können einzelne Persönlichkeiten eine Vorbildfunktion haben, wie es Jonathan, ein Jugendlicher aus den Gruppendiskussionen, erzählt: „Also ich persönlich folge niemandem, von dem ich nichts halte (…). Ich folge Influencern, weil die meinem Ideal entsprechen oder meine eigene Meinung vertreten.“

Jugendliche identifizieren sich mit reichweitenstarken Akteuren in sozialen Medien

Viele Jugendliche berichten, dass sie den meisten „Influencern“ auf Instagram und YouTube „schon seit mehreren Jahren“ folgen. Jonathan hat sich neben seinem Hauptaccount, über den er mit seinen Freunden in Kontakt bleibt, sogar einen zweiten Instagram-Account angelegt, über den er politischen Persönlichkeiten wie Donald Trump und Angela Merkel, öffentlichen Institutionen wie der Polizei sowie wirtschaftlichen Akteuren wie Warren Buffett folgt, um „diese ganzen Informationen, die man aus den Medien bekommt, noch einmal von den Leuten, wenn die dazu Stellung nehmen, noch einmal direkt zu beziehen“, erklärt der 15-Jährige. Die Dauer einer langen Follower-Beziehungen ist für Simon auch ein Grund dafür, dass er diese Quellen nutzt, um sich zu informieren: „Influencern, denen ich schon seit mehreren Jahren folge und mit welchen ich mich identifizieren kann, die halte ich dann auch für eine seriöse Quelle für Informationen“, erzählt der 15-Jährige.

Dabei wird deutlich, dass einzelnen Formaten und reichweitenstarken Akteuren auf sozialen Plattformen wichtige Funktionen zugeschrieben werden. Beispielsweise berichtet ein Jugendlicher über „den Influencer Leeroy Matata“ und sein Format ‚Leeroy will’s wissen‘, das seit zwei Jahren Teil des öffentlich-rechtlichen Online-Netzwerks funk ist, inwiefern dieser für ihn eine große Bandbreite an Themen und Personen innerhalb der Gesellschaft abbildet: „Er (Leeroy) spricht ja mit vielen Leuten über ganz verschiedene Themen. Eher mit Randgruppen, also mit Leuten, die vielleicht nicht so diese Aufmerksamkeit bekommen, die sie vielleicht bekommen sollten“.

Dass soziale Medien allgemein, vor allem YouTube, für Nachrichten genutzt werden, weil dort Sichtweisen dargestellt werden, die sonst in den Mainstream-Medien nicht berücksichtigt werden, zeigt auch der aktuelle Reuters Institut Digital News Report. Darüber hinaus haben Social Media Influencer aufgrund ihrer Identifikationsfunktion das Potenzial, das Nachrichteninteresse junger Menschen zu wecken bzw. zu intensivieren; das ist insbesondere bei mobilisierenden Themen wie der Fridays-for-Future-Bewegung der Fall, wie eine gerade erschienene Studie zu den Nachrichtenutzungspraktiken junger Menschen in der Schweiz aufzeigt.

Influencer gelten als authentisch – gleichzeitig werden sie als subjektiv wahrgenommen  

Ein Aspekt, der im Zusammenhang mit dem Einflusspotenzial von Social Media Influencern eine Rolle spielt, ist die wahrgenommene Glaubwürdigkeit bzw. Authentizität. So kommt auch die Shell Studie 2019, bei der untersucht wurde, wie die Generation der 12- bis 25-Jährigen in Deutschland aufwächst, zu dem Ergebnis, dass Influencer für Jugendliche aller Altersgruppen Vorbilder sein könnten, da sie ge­mäß ihren eigenen Interessen dem Content ausgewählter Menschen folgen und dies als authentisch erleben würden. Davon haben auch einzelne Teenager aus den Gruppendiskussionen berichtet. Beispielsweise begründet ein Teilnehmer seine Einschätzung, dass er „Influencer“ allgemein „zutraulicher und besser“ findet mit der wahrgenommenen Authentizität: „Weil ich bei ihnen (Influencern) noch mehr spontane Reaktionen sehen kann und die Meinung deutlicher verstehen kann. Und weil ich da einen viel, viel größeren Bezug zu habe als zu irgendwelchen Journalisten, die meistens nur hinter der Kamera stehen.“

Gleichzeitig haben sich viele Teilnehmende auch kritisch gegenüber „Instagramern“ als voreingenommene Quelle für nachrichtliche Informationen geäußert und betont, dass Influencer im Wesentlichen „subjektiv“ seien und nur Dinge „aus ihrer Sicht darstellten“. Eine 15-jährige Schülerin kritisiert darüber hinaus, dass Influencer „in der Regel nur Informationen an eine breite Masse weitergeben, die ihre eigene Meinung unterstützen“. Außerdem haben viele der Teilnehmenden angemerkt, dass Influencer dazu neigen würden, sich einem Thema zu nähern, indem sie oft versuchen, „ihre Followers davon zu überzeugen, dass ihre Meinung richtig ist“. Mit Bezug auf diesen Aspekt der Objektivität stellen einige Teenager aus den Gruppendiskussionen einen Vergleich zu Journalisten an: „Ich finde einfach meistens ist den Influencer (…) die wollen nur ihre Meinung sagen und versuchen damit vielleicht noch andere zu überreden“, kritisiert beispielsweise Freddy. „Oft versuchen Journalisten, vielleicht auch ein wenig neutral zu sein und andere nur über etwas zu informieren und ich finde, das ist ein sehr wichtiger Punkt, den man betrachten muss“, argumentiert der 15-Jährige.

Jugendliche erwarten von Journalismus neutrale Informationen

Während die meisten jungen Menschen aus den Gruppendiskussionen nicht mit den Arbeitsweisen von Journalisten und Journalistinnen vertraut waren und insgesamt wenig über das Mediensystem in Deutschland wussten, haben einzelne Jugendliche klare Vorstelllungen davon geäußert, was sie von Journalismus erwarten. Diese Bezüge wurden vor allem in Abgrenzung zu „Influencern“ auf Instagram und YouTube hergestellt. Beispielsweise erklärt Anna vor dem Hintergrund der wahrgenommenen Subjektivität dieser Akteure: „Ich würde eher Journalisten als Influencern trauen, weil ich denke, dass Journalisten dazu ausgebildet wurden, zu informieren und auch neutral und objektiv zu sein.“ Ein anderer Schüler hebt die Relevanz der Einordnung durch Journalismus hervor: „Bei einem Journalisten erwarte ich einfach, dass ich nachdem ich den Bericht zum Beispiel gelesen habe, ein klares und vor allem richtiges Bild von der Situation habe und dass ich dann gut darüber informiert bin“, berichtet Tim. Vor dem Hintergrund der Konfrontation mit gezielten Desinformationen in sozialen Medien erzählt eine andere Schülerin, dass „einen professionellen und seriösen Journalisten“ auf jeden Fall ausmache, „dass er bevor er irgendetwas schreibt, sich selber informiert und sich selber darüber klar wird, dass das jetzt keine Fake-News sind, bevor er irgendetwas weitergibt“.

Die Erkenntnisse aus den Gruppendiskussionen verdeutlichen, dass Jugendliche in ihrer Wahrnehmung von Influencern zwar durchaus kritisch sind, mit Blick auf den Grad ihrer (journalistischen) Professionalität allerdings nicht differenzieren. Sowohl einzelne Akteure wie Mirko Drotschmann (MrWissen2go), der aufgrund seiner Ausbildung und redaktionellen Anbindung an das funk Netzwerk nach journalistischen Qualitätskriterien arbeitet, als auch Personen wie MontanaBlack oder Louisa Dellert, die weder eine journalistische Ausbildung noch eine redaktionelle Anbindung haben, werden von den Teilnehmenden als Influencer wahrgenommen. Zum anderen äußern Jugendliche trotz der gefühlten Nähe zu diesen Akteuren kritische Aspekte wie eine wahrgenommene Subjektivität und Meinungsbeeinflussung. Darüber hinaus zeigen aktuelle Studien, dass junge Menschen im Zusammenhang mit Influencern und Content Creators starke Assoziationen mit Influencer-Marketing und ökonomischen Interessen haben. Diese stehen im Gegensatz zu den Werten und Prinzipien des professionellen Journalismus. Vor diesem Hintergrund sollte im Kontext von Journalismus und Nachrichten reflektiert mit dem Begriff der „Influencer“ umgegangen werden.

Infobox 1: Zum „Influencer“-Begriff besteht in Wissenschaft und journalistischer Praxis Uneinigkeit

Trotz der wachsenden Popularität von Influencern insgesamt sowie der Relevanz von Social Media Influencern innerhalb der Medienbranche hat sich bislang noch keine einheitliche Definition dieser Akteursgruppen durchgesetzt. Während der Begriff „Influencer“ traditionell aus dem Marketing kommt und damit zumeist durch das Internet bekanntgewordene Personenmarken gemeint sind, werden (politische) Social Media Influencer im Bereich der politischen Kommunikationsforschung von der Medienwissenschaftlerin Halina Bause als „in Social Media bekannt gewordene Nutzer:innen, die als selbst-inszenierte Personenmarken regelmäßig selbst produzierte politische Inhalte verbreiten, mit denen sie ein disperses Publikum erreichen und potenziell beeinflussen“ definiert.

Infobox 2: Weitere Forschung im Rahmen des #UseTheNews-Projektes

Im Rahmen des #UseTheNews-Projekts wurde vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) die „Studie zur Nachrichtennutzung und Nachrichtenkompetenz Jugendlicher und junger Erwachsener in der digitalen Medienwelt“ durchgeführt in Form eines Arbeitspapiers veröffentlicht. Die im Frühjahr 2021 vorgestellten Ergebnisse der #UseTheNews-Studie haben deutlich gemacht: Auch für junge Menschen spielen klassisch-journalistische Angebote für die Informationsnutzung eine große Rolle. Nichtsdestotrotz greifen insbesondere Jugendliche auf Inhalte von nicht-professionellen Kommunikatoren wie Schauspielerinnen, Prominenten und „Influencern“ zurück, um sich zu informieren und eine eigene Meinung zu bilden. In weiteren Teilprojekten wird daher unter anderem die Rolle von Social-Media-Content-Creators im Alltag junger Menschen untersucht, wobei der Fokus auf der Informationsnutzung und Orientierungsfunktion liegen soll.

 

Notizblock:
Bei twitter: Leonie Wunderlich 
Bei twitter: Hans-Bredow-Institut
Im Web: https://leibniz-hbi.de/de

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